Chow - Kyra


 

Kyra


Ein Seestern, der es nicht geschafft hat

von Ulrike Hoffmann

Lustig, neugierig und sehr interessiert lugten die braunen warmen Augen hinter den schweren Gitterstäben hervor. Das helle Chow-Chow Fell war fast blütenweiß und auch nach längerem hinsehen optisch gepflegt. Lange sah ich das Bild an, das mir Rotraut per Mail geschickt hat. In dieser Mail, an die Organisation Chow in Not gerichtet, stand neben dem Foto der Hündin ein kurzer Text und ein Link, der auf ein spanisches Internet-Portal verwies.

Dieser Hündin wollten wir helfen. Die Frage war nur: „Wie?“ Niemand von uns ist der spanischen Sprache soweit mächtig, dass wir uns auf der Internetseite anmelden konnten, bzw. Mails verfassen, oder hätten anrufen können.

Mir kam Susa, eine spanische Tierfreundin, zu Hilfe. Über ein großes Hundeforum, in dem ich seit langer Zeit User bin, startete ich einen Hilferuf und alle Wege führten zu ihr, die seit Jahren in Spanien lebt. Susa war auch sofort einverstanden, als Kontaktperson für uns in Spanien vor Ort zu agieren. Sie meldete sich auf der Internetseite an und kam zu der Adresse, von der die Hündin eingestellt worden war. Ja, wurde mir übermittelt, wir können die Hündin direkt im spanischen Tierheim abholen. Das Mädel sei 9 Jahre alt, hätte einen italienischen Impfpass und die Tollwut-Impfung gelte noch bis September 2011.

Nun galt es zwei Fragen zu klären: 1. Wer holt sie in Spanien aus dem Tierheim heraus und 2. Wie schaffen wir die Hündin Kyra nach Deutschland?

Da wir über Susa dem spanischen Tierheim eine feste Zusage für die Übernahme der Hündin gegeben hatten, suchten wir nun schon fast verzweifelt einen Flupaten. Diese Suche gestaltete sich dann doch etwas schwieriger als gedacht.. Wieder bekam ich über das Hundeforum Kontaktadressen von Tierschutzorganisationen, die Flugpatenschaften organisieren, aber meine vielen Mails und Telefonate brachten absolut kein Ergebnis. Niemand meldete sich. Es war zum Haare raufen.

Endlich aber kam nach vielen langen Tagen eine Antwort auf meinen Hilferuf.

Es meldete sich Frau Meier von der Organisation „Wautzie in Not“(Name und Organisation geändert). Frau Meier hatte eine Kontaktperson direkt in der Stadt, in dem die Chow-Hündin im Tierheim saß und sie wollte uns helfen Kyra nach Deutschland zu holen.

Die Kostenübernahme der Polarhunde e.V. Freudenstadt, dem die Chows in Not angehören, lag für die weiße Hündin innerhalb weniger Stunden vor und Frau Meier nahm auch sofort Kontakt mit dem Tierheim in Spanien auf.

Es stellte sich heraus, dass es kein Tierheim war, sondern eine Perrera. Ein in der Perrera abgegebenes Tier wird nach einigen Wochen getötet, wenn es nicht innerhalb weniger Tage von dort abgeholt wird. Frau Meier setzte sich mit der Perrera telefonisch in Verbindung und zu unserem Erstaunen kam die Bitte, ob wir nicht gleich drei Chow-Chow-Mädchen übernehmen könnten. Denn außer Kyra saßen dort noch zwei weitere Chow-Chows und warteten auf den Tod.

Von drei Hündinnen wussten wir absolut nichts. Uns war bisher nur der Notfall Kyra bekannt. Wir versuchten schnellstmöglich weitere Pflegestellen zu bekommen, was jedoch nicht gelang. Selbst nach langem Suchen fand sich nur Platz für eine Hündin. Da Kyra mit ihren 9 Jahren keinerlei Vermittlungschancen in Spanien hatte, entschieden wir uns für sie.

Am nächsten Morgen rief ich Frau Meier an, um ihr das „Go" für Kyra zu geben.

Frau Meier mailte sofort ihr OK und wollte sich umgehend darum kümmern, das Kyra abgeholt, auf einer Pflegestation aufgepäppelt und mit den nötigen Impfungen und Chip, versehen mit einem Gesundheitszeugnis auf die Reise geschickt werden könne.

Eine Transportmöglichkeit müsse ich dann allerdings selbst noch organisieren.

Die Tage schlichen dahin, ohne dass ich eine Nachricht von Frau Meier bekam. Immer wieder hatte ich den Telefonhörer in der Hand und immer wieder legte ich diesen wieder zurück, wartete ungeduldig auf eine Nachricht. Als ich dann Samstag anrief klang ihre Stimme belegt und leicht stockend. Sie musste mir die traurige Nachricht überbringen, dass Kyra getötet worden war.

Mein Atem setzte aus, mir wurde schwindelig, ich verstand die nächsten Sätze des Telefonates nicht mehr.

Warum? Was war passiert? Es war doch alles bis ins kleinste Detail organisiert, nur die Flugpatenschaft war noch nicht geklärt, aber das war doch das kleinste Problem. Es lag alles vor, die Kosten waren geregelt, die Pflegestelle freute sich schon auf die Hündin …sie musste doch nur noch in Deutschland ankommen. Die Perrera-Leitung hatte uns doch zugesagt, dass wir die Hündin abholen können!

„... wir waren leider zu spät. In dieser Woche lief eine Tötungsaktion ab von insgesamt 32 Hunden: Kyra war Nr. 33." Nein! Ich konnte es nicht glauben, ich wollte es nicht glauben!

Tagelang verkroch ich mich. Ich sah immer wieder das Foto der Hündin vor mir. Nachts wachte ich auf, weil ich von Kyra träumte. Ich war mir so sicher, dass sie es schaffen würde. Immer wieder stellte ich mir selber die Frage, ob es nicht für meine Familie und mich besser wäre, wenn ich mich aus dem Tierschutz zurück ziehe? Die Entscheidung zwischen Leben und Tod – sie zehren und laugen aus! Es dauerte einige Zeit, bis ich wieder normal atmen konnte.

Einige Tage später erhielt ich eine Mail vom Verein „Zamperl in Not“ (Name geändert), der in Spanien aktiv ist. Diesen Verein habe ich vor Wochen mit angeschrieben, ob man mir nicht behilflich sein kann, auf de Suche nach einem Flugpaten für Kyra.

Die Mail war kurz.

„Hallo Frau Hoffmann, benötigen Sie noch einen Flugpaten für die Hündin? Ich hätte da noch einen Platz frei. ….“

Ich schrieb mir meinen ganzen Kummer von der Seele, dass die Hündin nicht mehr lebte, dass sie getötet wurde und ich es nicht verstehen kann.

„Hallo Frau Hoffmann, das tut mir sehr leid. Leider ist in Spanien üblich, dass die alten und kranken Tiere, die keine Vermittlungschancen haben, getötet werden. Auch wenn eine 100%ige Übernahme eines deutschen Vereines vorliegt. Aber soll ich nach hören, ob die beiden anderen Chow-Mädchen noch in der Perrera sitzen?“



Und so trat einige Tage später das Not Chow-Mädchen Susa in mein Leben.